
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Sehr geehrte Damen und Herren,
Der Verwaltungsvorstand und CDU-Bürgermeister Christoph Fleischhauer legen den Haushalt vor. Die CDU-Fraktion folgt ihrem Bürgermeister nicht. Wiederum übernimmt das Bündnis für Moers aus SPD, Bündnis 90-Die Grünen und Die Grafschafter die Verantwortung für Moers – gemeinsam mit dem Bürgermeister.
Wir bewegen uns erfolgreich im Rahmen des Haushaltssanierungsplans. Planmäßig, wie Sie alle wissen, beträgt das strukturelle Defizit 2016 insgesamt 4,1 Mio. Euro. 2017 wird planmäßig ein leichtes Plus erwirtschaftet. Die aktuell wirksamen 40 Konsolidierungsmaßnahmen haben 2016 ein Volumen von 16,18 Mio. Euro. Über den Gesamtzeitraum bis 2021 werden 134 Mio. Euro erreicht.
Man könnte meinen, alles sei in Ordnung, wir folgen dem Pfad der Konsolidierung und in ein paar Jahren haben wir es geschafft. Doch diese Annahme ist trügerisch. Wir haben eine Atempause durch die Hilfe des Landes NRW und auch einige Verbesserungen durch den Bund. Aber das reicht nicht.
Die langfristige Frage für die Politik ist: Wie wollen wir miteinander leben? Welche Gesellschaft wollen wir? Darauf komme ich später zurück.
Die Kosten für soziale Transfers fressen uns auf. Für die Grundsicherung nach SGB II, nur für die Kosten der Unterkunft, muss der Kreis Wesel netto 50,6 Mio. Euro tragen, davon entfallen auf die Stadt Moers über die Kreisumlage 12,7 Mio. Euro. Für das Pflegewohngeld und Hilfe zur Pflege beträgt der Anteil für die Stadt Moers 10,4 Mio. Euro. Die Umlage für den Landschaftsverband Rheinland, dazu gehören Kosten für Förderschulen, Kliniken und viele Einrichtungen im Gesundheitswesen, Kinder- und Jugendsozialarbeit, und Kulturförderung beträgt alleine für die Stadt Moers 25,6 Mio. Euro. Die Kosten der Eingliederungshilfe wachsen unaufhörlich. Kosten für Gesundheit und Pflege aus demographischen Gründen ebenfalls. Wir alle sind froh über die Fortschritte der Medizin. Wir müssen es aber auch finanzieren.
Für Hilfen zur Erziehung zahlt die Stadt Moers 17 Mio. Euro, 10 Mio. mehr als vor zehn Jahren. Auch an der Stelle ist eine Trendwende leider nicht absehbar.
Das überfordert die Möglichkeiten der Kommunen, in denen strukturell bedingt die Einnahmen nicht wachsen wie die sozialen Kosten. Das betrifft die meisten Kommunen in NRW, alle Kommunen im Ruhrgebiet, das betrifft die Stadt Moers. SPD, CDU und Grüne haben im Ruhrgebiet eine gemeinsame Konferenz durchgeführt. 120 Parlamentarier aus dem Revier, die in Bund, Land und EU in Regierungsverantwortung stehen, haben letzte Woche in Essen ein gemeinsames Signal zur Rettung der Städte des Ruhrgebietes gesendet. Wir müssen ungewöhnliche Wege gehen und fraktionsübergreifend für unsere Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger streiten.
Als Rat der Stadt Moers sind wir dem Aktionsbündnis „Raus aus den Schulden – Für die Würde unserer Städte“ vor zwei Monaten einstimmig beigetreten.
Neben den ständig steigenden Sozialausgaben kommen auch noch die Risiken irgendwann steigender Zinsen und einer Konjunktur, die erfahrungsgemäß nicht unablässig Wachstum bringt. Mehr Ausgaben für Kinderbetreuung, Hilfen zur Erziehung und Tagespflege, Personalkosten, Flüchtlingshilfe, schwankende Einnahmen bei Gewerbesteuern. Die Haushaltslage ist heute zwar auskömmlich, zukünftige Probleme sind aber absehbar.
Der einzige Weg, da herauszukommen, ist eine komplette Übernahme der Kosten der Sozialgesetzbücher I – XII durch den Bund.
Die Übernahme der Grundsicherung im Alter durch den Bund ist ein Erfolg der SPD auf Bundesebene und ein erster Schritt. Die geplante Übernahme der Eingliederungshilfe durch den Bund ist kein Geschenk, sondern entspricht ebenfalls dem Grundsatz der Konnexität und wird hoffentlich der zweite Schritt. Gleichmäßige Lebensbedingungen in den Städten in Deutschland setzen voraus, dass der Bund die Sozialkosten übernimmt, die höchst unterschiedlich in strukturell starken oder schwachen Regionen anfallen.
In Moers haben wir seit Jahren vieles getan, um handlungsfähig zu bleiben.
Wir sind in den letzten Jahren mit der ENNI AöR, gestern mit dem steuerlichen Querverbund, mit zukunftsfähigen Neubauten, Modernisierungen unserer Bäder und Sportanlagen, Solimare und ENNI Sportpark, mit der Öffentlich-privaten-Partnerschaft für Neubau Rathaus und Hanns-Dieter-Hüsch-Haus und dem Modell PROSA für die Schulsanierungen einen kreativen Weg gegangen, die bauliche Infrastruktur zeitgemäß instandzusetzen. Investitionen in Gebäude führen zu sinkenden Unterhaltungskosten.
Wir haben seit den 80er Jahren viele Maßnahmen zur Senkung der Ausgaben und Erhöhung von Einnahmen beschlossen und umgesetzt. Einrichtungen wurden gedeckelt, einige geschlossen, interkommunale Zusammenarbeit ausgeweitet, Personal reduziert und Standards zum Beispiel in der Grünpflege gesenkt.
Wer behauptet, es würde nicht gespart, ignoriert Jahrzehnte der Aufgabenkritik, der Organisationsänderung und Sparpakete.
Wir sind aber aktuell nur durch den Stärkungspakt überhaupt in der Lage, handlungsfähig zu bleiben. Die Stadtgesellschaft hat durch Anhebung verschiedener kommunaler Gebühren und Steuern erheblich dazu beigetragen, wir alle.
Wie wir gemeinsam im letzten Jahr feststellten, wir haben als Stadt Moers nirgendwo Quatsch gemacht. Wir haben keine hausgemachten Fehler festzustellen.
Was wir allerdings nicht gemacht haben, ist die soziale und kulturelle Infrastruktur zu schleifen. Wir strengen uns an, die Aufgaben so effektiv wie möglich zu organisieren, um den sozialen Frieden zu wahren und Kosten zu minimieren. Das ist anstrengend und manches Mal eine Gratwanderung.
Im Kreistag Wesel zeigt uns gerade ein CDU-geführtes Bündnis, wie man es nicht machen sollte.
Geplant ist ein Kahlschlag im Kultur- und Sozialbereich mit dem Ziel, Kosten zu sparen. Vordergründig würden ein paar tausend bis zu 300.000 Euro bei der Burghofbühne eingespart. Doch mit der Zerschlagung von sozialen Einrichtungen, ehrenamtlichen Strukturen wie am Kloster Kamp oder einem Theater ist im wahrsten Sinne niemandem geholfen. Wir als kreisangehörige Stadt werden nicht zusehen können, wie die Arbeit von „Frauen helfen Frauen“ oder der Wohlfahrtsverbände in Moers zerstört wird. Eine theoretische Entlastung bei der Kreisumlage wird zu höheren Folgekosten führen. Diese Folgekosten werden besonders die großen Städte des Kreises treffen, an vorderer Stelle die Stadt Moers. Wir fordern Sie alle auf: Helfen Sie, diesen Irrsinn zu stoppen. Kein Kahlschlag im Kreis!
Richtig dagegen ist es, Präventionsarbeit zu leisten, damit Menschen möglichst lange zu Hause wohnen und so spät wie möglich stationär gepflegt werden. Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit, Hilfe zur Selbsthilfe – das ist der Weg, langfristig Kosten zu senken und nicht kurzsichtiger Kahlschlag.
In Moers haben wir im letzten Jahr zusätzliche Altentagesstätten in Scherpenberg, Schwafheim, Meerbeck und der Innenstadt eingerichtet, die Trägerschaft des neuen Jugendzentrums Mattheck gestern erst beschlossen. Das ist Präventionsarbeit!
Wir geben an der Stelle mehr Geld aus, weil vor allem für alleinstehende ältere Menschen die Begegnungsstätten eine Stütze im Alltag sind, ohne die manche schon viel früher in die stationäre Pflege kommen würden.
Wir „leisten“ uns ein Netzwerk von sozialen Einrichtungen, die nicht nur Moers lebenswerter machen, sondern langfristig auch Kosten sparen.
Neue Gewerbegebiete und Wohnbaugebiete sind wichtig, um Arbeitsplätze zu gewinnen und die Bevölkerungszahl möglichst stabil zu halten.
Moers muss weiter eine attraktive Stadt bleiben. Wir wollen gestalten und allen Menschen Chancen bieten.
Wir wollen sozialen Wohnungsbau in unserer Stadt im erheblichen Umfang ermöglichen. Dafür müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den sozialen Wohnungsbau wieder rentabel machen.
Wir haben in den letzten Monaten auf unseren Antrag im Personalausschuss den kompletten Stellenplan durchforstet, wo dringend Stellen besetzt werden müssen und wo evtl. noch Einsparungen möglich sind. Nicht nur die Bürgerschaft, auch die Wirtschaft braucht eine leistungsfähige Verwaltung.
Ein Thema, das mich und wohl viele hier im Moment mehr bewegt als der Haushalt ist die Diskussion zum Asylrecht und der Frage, ob wir die Aufnahme von Flüchtlingen schaffen oder wie viele Menschen wir aufnehmen können. Und an der Stelle stellt sich die Frage: Wie wollen wir miteinander leben? Was sind unsere Werte? Das ist nicht trivial, sondern fundamental wichtig.
Ein unsäglicher Mob auf Demonstrationen oder in unsozialen Netzwerken meint das Abendland zu verteidigen, in dem sie Hass und Fremdenfeindlichkeit predigen. Ja, was macht denn das christliche Abendland aus, wenn nicht Nächstenliebe und soziale Gerechtigkeit?
Das Gegenbild ist eines von Herrenmenschen und Untermenschen der Nazis oder, auf den einzelnen oder zwischen Staaten bezogen: „Homo homini lupus est – der Mensch ist des Menschen Wolf“. Das ist die Perversion des Sozialstaates und des Völkerrechts.
Katholische Soziallehre und evangelische Sozialethik, die Ideale der Aufklärung Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sind die Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft. Humanität und christliche Nächstenliebe sind unsere Richtschnur!
In der Bibel ist das Wort für Fremder gleichbedeutend mit Gast. Maria und Josef waren Flüchtlinge. In der Bibel wird von vielen Flüchtlingen und der Gastfreundschaft berichtet.
Angesichts des Terrors von Islamisten und Nazis sind die Errungenschaften von Frieden, Freiheit, Fürsorge und sozialer Gerechtigkeit wieder in den Fokus gerückt. Es ist nicht selbstverständlich. Und Kultur und Zivilisation müssen immer wieder errungen werden. Das geht nicht von alleine. Dabei spielen ganz konkret Bildung, Kultur, Theater, Wohlfahrtsverbände, Kirchengemeinden, Moscheevereine, Sportvereine, die ganze Vereinslandschaft eine große Rolle.
Ich meine die soziale und kulturelle Infrastruktur ist wie ein Lymphsystem, das den gesellschaftlichen Körper mit Abwehrstoffen gegen Hass und Fremdenfeindlichkeit versorgt. Das brauchen wir immer, in ruhigen wie in bewegten Zeiten.
Jetzt wird in der Diskussion um Obergrenzen und Kontingente als logische Konsequenz das Asylrecht durch den EU-Kommissar Günter Oettinger in Frage gestellt und eine Änderung des Grundgesetzes vorgeschlagen. Wohin steuert die CDU? Ich hoffe, dass Angela Merkel dabei eine Rolle spielt.
Das Grundgesetz ist kein Schönwettergesetz, sondern die Lehre aus den Erfahrungen des Nazi-Terrors und dem Zusammenbruch von Zivilisation und Kultur. Millionen Menschen wurden durch die Nazis ermordet, auch hier in Moers. Zwei Weltkriege gingen von deutschem Boden aus. Im Artikel 1 heißt es „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“
Zuwanderung zu steuern und innerhalb Europas abzustimmen, ist geboten, um Lasten zu teilen. Aber solange die Fluchtursachen bestehen, wird es auch Flüchtlinge geben. Sollen wir bei denjenigen, die über der Obergrenze liegen, mit Stacheldraht an den Grenzen oder mit Waffengewalt die Einreise verweigern?
Die Errungenschaft der offenen Gesellschaft hat zur Folge, dass wir Sehnsuchtsort von Verfolgten sind.
Wir verteidigen die Demokratie und den Rechtsstaat. Dazu gehört das Asylrecht als Lehre aus dem Nazi-Terror.
Im Moers hat Willkommenskultur bis heute funktioniert, das ist sicher dem Einsatz der Verwaltung, allen Fraktionen und den vielen Ehrenamtlichen zu danken, das hat aber auch ganz entschieden mit sozialdemokratischer Politik der letzten Jahrzehnte zu tun. „Moers ist bunt“ war uns schon Verpflichtung als andere darüber hinwegsahen. Wir Sozialdemokraten wissen, dass es bei einer Willkommenskultur allein nicht bleiben darf, daraus muss ganz schnell eine nachhaltige Integrationskultur werden. Spracherwerb und Integration in Arbeit werden folgen müssen.
Wir sehen im Vordergrund die Chancen der Zuwanderung für eine Veränderung der Demographie und die Ausbildung notwendiger Kräfte für den Arbeitsmarkt.
Die kulturelle, soziale und interkulturelle Arbeit wirkt rechtsradikalem Gedankengut entgegen. Der Kongress „Demokratie stärken in Moers“, auf dem viele Jugendliche über Rechtsextremismus diskutieren, ist beispielhaft.
Buntes Moers ist kein Schlagwort, sondern gelebte Wirklichkeit.
Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz haben in Moers keinen Platz!
Das Moers-Festival steht für die internationale Ausstrahlung unserer Stadt, für ein weltoffenes, tolerantes Moers. Durch den Zuschuss des Bundes über 150.000 Euro kann es gelingen, das Moers-Festival trotz der städtischen Sparmaßnahmen als attraktives Event mit Jugendveranstaltungen und Ausstrahlung über das ganze Jahr zu erhalten. Den Bundeszuschuss sofort wieder einzusparen, wirkt kleinkariert, zumal es dem Förderzweck zuwiderliefe.
Wir verteidigen die soziale und kulturelle Infrastruktur sozusagen mit Klauen und Zähnen. Das ist kein Luxus, sondern lebenswichtig für eine offene Gesellschaft.
Der Haushalt 2016 mit dem fortgeschriebenen Haushaltssanierungsplan bietet die Grundlage, den Konsolidierungskurs fortzusetzen und gleichzeitig die soziale und kulturelle Infrastruktur zu erhalten, sowie die notwendigen Zukunftsinvestitionen zu tätigen.
Ich danke im Namen der SPD-Fraktion der Verwaltung und stellvertretend dem Kämmerer Wolfgang Thoenes, dem Bürgermeister und allen Beigeordneten für die Begleitung der Haushaltsberatungen.
Die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Moers stimmt der Haushaltssatzung, dem Stellenplan und dem Haushaltssanierungsplan zu.
Für die Zukunft der Stadt Moers!