Muss der Straßenname Albert-Altwicker in Utfort getilgt werden? – diese Frage hat die SPD-Fraktion in der ablaufenden Ratsperiode sehr beschäftigt.
Anlass war ein Bürgerantrag von Ende Oktober 2023, nach dem der frühere Bürgermeister derdamaligen Gemeinde Repelen-Baerl (von 1924 bis 1944) aufgrund von Presseberichten aus seiner Amtszeit ein „offenbar überzeugter Nationalsozialist“ gewesen sei. Demnach habe er sich schon 1927 für die Vereinigung von Deutschland und Österreich ausgesprochen, 1933 zur vorbehaltlosen Unterstützung des Hitler-Regimes aufgerufen und den Bau von Heimen der Hitler-Jugend in der Gemeinde befördert. Unter seiner Ägide sollen die lokalen Polizeikräfte vier Wochen nach Hitlers Machtergreifung durch Angehörige der SA, der NSDAP und des Stahlhelms verstärkt worden sein, wie der Bürger anhand des Werks des kürzlich verstorbenen Bernhard Schmidt „Moers unterm Hakenkreuz“ nachvollziehbar werden ließ.
Nach einer ersten Recherche und dem Studium der Unterlagen zum Bürgerantrag bestanden für die SPD-Fraktion tatsächlich die Anzeichen dafür, dass die angesprochenen Verdachtsmomente eine Aufhebung der Namensnennung Albert-Altwicker-Straße begründen könnten. Aus diesem Grund brachte die SPD-Fraktion in der Ratssitzung Mitte Februar 2024 gemeinsam mit Bündnis90/Die Grünen den Antrag auf Änderung des Straßennamens auf den Weg.
Die Stadt Moers beauftragte die Stadtarchivarin Daniela Hundrieser-Gillner mit der Aufgabe, nähere Hinweise für die im Bürgerantrag geäußerten und in Schmidts Buch genannten Hinweise auf eine aktive Täterschaft von Albert Altwicker im Nationalsozialismus zu untersuchen. Sie sah dazu nach eigenen Angaben insgesamt 22 Akten aus dem Bestand des Landratsamtes Moers und 60 Gestapo-Akten mit direktem Bezug zur Gemeinde Repelen-Baerl beim Landesarchiv NRW ein – nach Rücksprache mit dem zuständigen dortigen Dezernenten und in Abgleich mit den in „Tatort Moers“ und „Moers unter´m Hakenkreuz“ genannten Quellen.
In dem sechsseitigen Papier, dass als Vermerk der Debatte zum Bürgerantrag Anfang März 2024 beigefügt wurde, kam die Stadtarchivarin zu dem Schluss, dass die Unterlagen „keine belegbaren Rückschlüsse darauf“ zulassen, „dass Albert Altwicker in seiner Funktion als Bürgermeister der Gemeinde von Repelen –Baerl aktiv über die ihn als Verwaltungsbeamtengestellten Anforderungen hinaus am verbrecherischen und menschenverachtenden System desNationalsozialismus beteiligt war oder die NS-Diktatur durch besonderen Eifer gestützt hätte“.
Altwicker und seine Frau seien „keine aktiven Mitglieder in der NSDAP“ gewesen, bezeugte nach dem Krieg auch der frühere sozialdemokratische Widerstandskämpfer Johann Steegmann, der von Februar 1946 bis September 1946 und von 1949 bis 1956 Bürgermeister von Repelen-Baerl war, dem Entnazifizierungsausschuss angehörte. Und bei der Straßenbenennung 1967 stimmte auch der Sozialdemokrat Paul Langer dafür, der 1936 wegen des Versuchs des Wiederaufbaus der damals illegalen SPD ins Zuchthaus gekommen war. Außerdem, so Daniela Hundrieser-Gillner, „ließen sich keine konkreten Belege finden, dass Altwicker an Kriegs- und/oder Menschenrechtsverbrechen mitgewirkt hat.“ Er wurde als „Mitläufer und Opportunist“ gekennzeichnet, habe Weisungen des Machtapparates ausgeführt.
Auf Basis dieser Informationen diskutierte die SPD-Fraktion erneut den Sachverhalt. Dabei kam man zu dem Schluss, dass die Faktenlage nicht eindeutig genug ist, um eine aktive Schuld Altwickers im NS-System nachzuweisen – und deshalb eine Änderung des Straßennamensvorzunehmen. Außerdem wurden die Kosten für die Bürger im Falle einer solchen Namensänderung ins Feld geführt – und die Tatsache, dass für den Vorstoß im Moerser Rat keine qualifizierte Mehrheit besteht.
Auf Basis dieser rationalen Diskussion entschied sich die SPD-Fraktion dafür, den Antrag auf Namensänderung im Stadtentwicklungsausschuss im Juni 2024 zurückzuziehen.
Natürlich steht auch die Moerser SPD-Fraktion dafür, dass Personen, die in Nazideutschland aktiv an Menschheitsverbrechen beteiligt waren, nicht als Vorbild und demnach als Namensgeber für Straßen taugen und dafür nicht herangezogen werden dürfen. Die SPD hat unter dem Nationalsozialismus besonders gelitten – allein aufgrund unserer Geschichte im Widerstand, der Standhaftigkeit unter Otto Wels 1933 und dem heutigen Aufkommen desRechtsextremismus gibt es für uns nicht den Hauch von Anlass, ehemalige Namen von Nazis aufirgendwelchen Straßen zu dulden.
In diesem konkreten Fall reichte die Faktenbasis aus Sicht der SPD-Fraktion aber nicht aus, um eine Änderung sachgerecht zu begründen. Schon 1999 gab es ja verwaltungsintern den Vorschlag, die Straße umzubenennen, was nicht weiterverfolgt wurde – vielleicht geschah dies auch aus dieser Erkenntnis heraus. Genauso klar ist für uns aber auch: Sollten sich die Erkenntnisse zu Albert Altwicker fundamental verändern, wird die SPD-Fraktion Moers nicht zögern, das Thema noch einmal aufzugreifen.